gestapelte Steine als Minitempel, auf Berggipgel, vor Bergpanorama
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Was trägt in der Trauer?
Ressourcen sehen und finden

Trauerbegleitung bedeutet oft – neben organisatorischen Fragen – erst einmal Stabilisierung. Das gelingt, wenn der oder die Trauernde neben dem Verlust auch sieht, was da ist. Das nennt man Ressourcenarbeit.

Ressourcen sind das, was uns stärkt und nutzt und schützt. Das gilt es zu aktivieren. Natürlich nicht nur in der Trauer, aber da ganz besonders.

Im Artikel geht es darum, wie eine gute Trauerbegleitung das macht.

Der Kern von Trauerbegleitung in Akutfällen ist oft Stabilisierung. Mindestens, um die Situation durchzustehen. Und oft auch, damit Kraft für die Trauer als Anpassungsprozess da ist. Das nennt man Ressourcen-Arbeit.

Die Idee dahinter ist wie beim Sport: Wenn Du Rückenschmerzen hast, kräftige die Bauchmuskeln; denn sie entlasten den Rücken.

Und so ist es auch in der Trauer: Nutze und stärke, was Dich oder Sie stärkt. Damit bleibt mehr Kraft für die Trauer.

Wieso ein ressourcenvoller Blick die Grundlage für jede Form von Beratung ist

Wenn ich Trauernden als Trauerbegleiterin gegenübersitze, habe ich einen großen Vorteil: Ich sehe, welche Stärken und Ressourcen sie auch in der Trauer mitbringen. Das ist für mich als Außenstehende oft einfacher als zum Beispiel für Freunde, denen im Vergleich zum sogenannten „Normalzustand“ das Leid auffällt, oder das, was fehlt.

Ein ressourcenvoller Blick traut meinem Gegenüber etwas zu und ermöglicht Selbstwirksamkeit. Damit bleibt mein Gegenüber verantwortlich und am Steuer für Entscheidungen – und diese Form von Kontrolle ist für viele Trauernde hilfreich.

Ein ressourcenvoller Blick ist auch meine beste Absicherung dagegen, in meinem Angeboten übergriffig zu werden. Etwa indem ich ungefragt helfe, Dinge übernehme und so mein Gegenüber entmündige. Das bedeutet nicht, nicht zu helfen, aber eben dann, wenn Menschen es explizit wünschen.

Und hier liegt eine Botschaft für Menschen im Umfeld von Trauernden (oder anderen als „bedürftig“ wahrgenommene Personen):

  • Übernehmt nicht ungefragt Dinge.
  • Trefft keine Entscheidungen ohne Rücksprache.
  • Bleibt in Augenhöhe (oder stellt sie her).
  • Seid da zum Mit-Anpacken, nicht zum Übernehmen.
  • Meldet euch, auch wenn nicht immer eine Antwort kommt.

Details bringen Ressourcen zum Vorschein

Je schmerzhafter ein Verlust erlebt wird, desto wichtiger ist für mich als Trauerbegleiterin und Coach der Blick auf die Ressourcen: auf das, was stützt, schützt und Kraft spendet.

Dabei habe in der Trauerbegleitung etwas Wichtiges gelernt, das mir im Coaching ungemein zugute kommt: Es gibt immer etwas, das schützt oder stützt, etwas, dass auf das ich den Scheinwerfer der Wertschätzung richten kann.

Gerade wenn Trauernde – oder Menschen im Umfeld von Trauernden – dieses stützende oder schützende Etwas nicht auf den ersten Blick erkennen können, lohnt sich ein Versuch:

  • Denken Sie an den einen Moment gestern, der etwas erträglicher war.
  • Wie haben Sie es bemerkt?
  • Was war der Unterschied?
  • Wo haben Sie das im Körper gespürt?

Das zu benennen braucht eventuell mehr Detailblick, als Sie bisher gewohnt waren. Und: Bleiben Sie dran: Die Mühe lohnt sich!

Herausfinden, was stärkt

Mit etwas Übung können Sie weitere Situationen untersuchen:

  • Wo oder bei wem tanke ich auf? Und bei wem nicht?
  • Welche Routine konnte mir letzte Woche (oder früher einmal) Last abnehmen oder Kraft geben?
  • In welcher Stimmung ist es hilfreich, Trauer zu teilen? Und in welcher Verfassung nicht?
  • Wann stützt es mich, für andere da zu sein und wann ist es eine Last?
  • Was gibt mir gerade Kraft? Und was raubt mir Kraft?

Das Handeln danach kann sehr einfach oder unglaublich schwer sein: Eine kraft-raubende Person nicht zu treffen, fällt manchen Menschen sehr leicht und anderen schwer. Ebenso ist es so unterschiedlich, in welchen Situationen es Menschen guttut, über ihre Trauer zu sprechen oder nicht. Und manche Menschen wissen sehr genau, was ihnen Kraft gibt und Kraft raubt – und andere fangen damit gerade erst an.

Wichtig deswegen: Starten Sie mit dem, was Ihnen leicht fällt. Stärken Sie sich von dort aus: Das Spazierengehen mit dem Hund ist einfach und beruhigt Sie? Dann könnte das eine gute Gewohnheit werden. Die Steuererklärung raubt Ihnen schon ohne Trauerden letzten Nerv? Dann suchen Sie sich hier tatkräftige Hilfe.

Und bitte kein Leistungsdruck: Jede noch so kleine Verbesserung ist wertvoll!

Kleine Fortschritte sehen lernen und würdigen

Je nach dem, wer gestorben ist, oder wie der Verlust eine trauernde Person belastetet, sind kleine Schritte das einzig realistische Tempo für Trauernde. Und das ist für viele Menschen eine schwere Lektion, wenn wir doch sonst scheinbar alles im Schnelldurchlauf absolvieren können.

Um so wichtiger ist es, die kleinen Schritte zu erkennen, die eine Veränderung zum Aushaltbaren bringen und sie genügend zu würdigen.

Dabei bringen gerade die ersten kleine Fort-Schritte etwas ganz Elementares zurück: Die Hoffnung, dass sich überhaupt etwas verändern kann. In der akuten Trauer kann allein die Beobachtung, dass die Trauer nicht ein einziger grauer Klumpatsch ist sondern dass es mal besser und mal schwerer ist, echte Erleichterung auslösen.

Manche Trauernde sehen das von sich aus und ziehen Kraft daraus. Andere können das in der akuten Trauer nicht erkennen. Dann kann ich helfen, den Blick zu trainieren, um kleine Veränderungen wahrzunehmen:

  • Wann war es ein kleines bisschen besser?
  • Wann konntest du es ein bisschen besser aushalten?
  • Die elementarste Frage dieser Art ist: Wie schaffst du das?

Bei allen diesen Fragen macht der Ton die Musik: zuversichtlich-mitfühlende Neugierde ist hilfreich, tränenheischendes Mit-Leiden nicht.

Die Antwort auf diese Fragen sind nicht selten ein resigniertes Weiß-nicht oder ein Schulterzucken. Trotzdem lösen sie oft einen Nachdenkprozess aus, der schließlich die innersten Antriebe zeigt: die Kinder, die weiter versorgt werden müssen; die Eltern / Geschwister, Freunde, um die man sich Sorgen macht; das kleinste bisschen Hoffnung, dass es irgendwie wieder werden muss; oder das existenzielle Ja zum Weiterleben, weil es keine andere Option gibt als Weitermachen (wenn auch das “Wie” noch nicht klar ist).

Diese ersten kleinen Schritte sind die wichtigsten, weil sie Menschen auf einen Weg setzen. Von hier aus üben sie einfacher, weitere Fort-Schritte zu finden. Und das dürfen ruhig die gleichen Schritte sein, die schon einmal funktioniert haben. Deren Wiederholung hat den Vorteil, dass diese Schritte vielleicht weniger Kraft kosten und dass ihre Machbarkeit schon belegt ist.

Und so geht es weiter

Unterstützend lassen sich weitere kleine Schritte entwickeln, die hilfreich sein könnten:

  • Was bringt Entlastung und gibt ein wenig Schein-Normalität zurück, in der Aufatmen möglich wird?
  • Welche Routinen?
  • Welche neuen Gewohnheiten?
  • Welche Menschen?

Das Wissen darum ist oft vorhanden. In der Trauerbegleitung geht es darum, die Aufmerksamkeit auf das zu lenken, was stärkt:

Where the mind goes, the energy flows.

Diese Art der Stabilisierung ist der erste wichtige Aspekt einer Trauerbegleitung. Der zweite ist das Organisatorische, das gerade in den ersten Wochen sehr viel Energie braucht.

Oft ist es so: Wenn der oder die Trauernde stabiler ist, und nach dem ersten Schwall an Formalia der Kopf wieder über Wasser ist, kann der dritte Aspekt in den Fokus rücken: das Herantasten an den Verlust. Hier geht es zum Artikel über Grundhaltungen, die eine gute Trauerbegleitung auszeichnen.

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